Unterwegs mit Trainees oder meinen eigenen Hunden treffe ich viele Hundehaltende und ihre Vierbeiner. Schöne Begegnungen sind dabei ganz klar die Ausnahme. Immer wieder sind es gut eingeübte Handlungsketten wie, Ruck – „Gsch“ – Kick, die sich da vor meinen Augen abspielen. Handlungsketten, die irgendwo gelernt wurden und sich auf Spaziergängen gefestigt haben müssen. Manchmal aus reiner Gewohnheit und manchmal als dürftige Versuche, trotz Hilflosigkeit und Unwissenheit „Herr der Lage“ zu werden – was das Ganze nicht weniger verletzend macht.
Es gibt jedoch immer dieselben Parallelen bei diesen gruseligen Szenen:
- Physische und/oder psychische Gewalt kommt zum Einsatz
- Die Hunde werden durch Situationen geschleift, denen sie nicht gewachsen sind. Es wird schlicht zu viel von ihnen erwartet.
- Mit nur wenigen einfachen Verhaltensänderungen am haltenden Ende der Leine könnte eine für alle Seiten angenehme und bereichernde Erfahrung stattfinden
Warum ist das so?
Im Oktober wird ein bekannter TV Hundetrainer mit seiner Show die Olympiahalle in Innsbruck füllen. Sehr wahrscheinlich werden dort aufs Neue viele Erwartungen geweckt werden, die Hunde an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen.
Hunde sind sehr friedfertige Lebewesen und an ein Zusammenleben mit dem Menschen in Gefangenschaft gewöhnt. Trotzdem wird vielen von ihnen eine Verhaltensstörung angedichtet. Dazu muss man wissen: Nur sehr, sehr wenige Hunde kommen mit einer Verhaltensstörung auf die Welt. Meistens handelt es sich um Verhaltensprobleme. Das wiederum sind völlig normale, der Art entsprechende Verhaltensweisen, die jedoch im Lebensumfeld des Menschen zu Schwierigkeiten führen können. Jagdverhalten gehört dazu oder schlicht jugendlicher Übermut.
Was betroffenen Tieren im Hundetrainer-TV für Einschaltquoten mit Fäusten und Tritten „abgewöhnt“ wird behandelt zweifelsohne der Art entsprechende Verhaltensweisen oder hundliche Verhaltensstörungen die selfmade sind. Beides zeugt lediglich von menschlichen Schwächen: Wir nehmen uns einfach keine Zeit mehr, uns auf andere Lebewesen einzulassen. Deshalb ignorieren wir auch im Umgang mit unseren vierbeinigen Begleitern vieles was erforscht ist, erfüllen ihre Bedürfnisse in unserem Lebensumfeld nur halbherzig und schieben die Verantwortung ganz einfach auf die Hundeflüsterer dieser Welt ab. Zeit, Empathie und Wissen sind nämlich genau das Gegenteil davon, was im TV-Hundetraining angepriesen wird. Hier werden schnelle Lösungen verkauft – für lebensfeindliche und narzistische Probleme, die durch die Idee erschaffen werden, dass jeder Hund zu jedem Zeitpunkt seines Lebens genau das tun muss, was gerade von ihm erwartet wird. Oder dass es das einzig Richtige ist, unsere Hunde der Dominanztheorie wegen mit Gewalt zu korrigieren, weil diese Gattung eine andere Sprache nicht versteht. Darüber hinaus wird noch einiges weiteres Halbwissen rund um den „besten Freund“ des Menschen verbreitet …
Die Sender sollten nicht nur darauf hinweisen, dass man diese Szenen nicht nachahmen sollte, sondern vor allem darauf, dass die gesamten Inhalte ausschließlich der Selbstdarstellung und der Unterhaltung dienen und frei erfunden sind. Denn weder liegen diesen Methoden aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde noch zeigen sie einen ethisch vertretbaren Umgang mit Hunden.
Ein ethisch vertretbarer Umgang mit Hunden sieht nämlich ganz anders aus. Glücklicherweise gibt es immer mehr Organisationen und ExpertInnen mit kynologischem Know-how, denen das Wohl der Hunde genauso ein Anliegen ist wie das harmonische Zusammenleben zwischen Mensch und Hund. Viele von ihnen unterstützen die „Initiative für gewaltfreies Hundetraining“. Ziel der Initiative ist das Verbreiten eines wissenschaftlich fundierten, ethisch vertretbaren und empathischen Umgangs mit Hunden – vor allem im Training. Eine länderübergreifendes Angebot dieser Initiative ist die Aktion „Tausche TV Hundetrainer-Ticket gegen Training“. Hier können Interessenten ihr Ticket zu einem dieser TV-Trainer-Events – übrigens auch gebrauchte von vergangenen Veranstaltungen – gegen ein kostenloses Training bei einer teilnehmenden Hundeschule ihrer Wahl einlösen.
Ich unterstütze diese Aktion sehr gerne. Weil ich mir wünsche, dass mehr Menschen versuchen ihre Hunde besser zu verstehen statt sich von unrealistischen Erwartungen und fragwürdigen Methoden leiten – und früher oder später auch frustrieren lassen. Denn im Grunde wissen wir es doch alle: Das Leben ist nie so wie im Fernsehen. In diesem Fall muss ich sagen: zum Glück!
© Freilauf, Nina Tschanhenz, Wichnerstraße 10b, 6700 Bludenz, AT
PDFs zum Download:flyer_gewaltfreies_hundetraining.pdf