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Fünf Fragen an Maria Hense

Wie viel Grenzen braucht der Hund?

Wenn man an frei lebende Hundegruppen denkt, dann ist die Grenze des einen Hundes da, wo das Wohlbefinden eines anderen Hundes beeinträchtigt wird. Hunde leben nicht grenzenlos. Es kann auch durchaus sinnvoll sein für einen Hund die Erfahrung zu machen, einen anderen Hund nicht stören oder ihm etwas nicht wegnehmen zu dürfen. Aber diese Gelegenheiten, in denen in Hundegruppen solche Grenzen gesetzt werden, sind erstaunlich selten und weit weniger grob, als Menschen meinen. Aber es gibt sie.

Ich glaube, dass es Hunden auch in der Beziehung zu Menschen guttut zu merken, dass das Gegenüber Grenzen hat, an die man sich anpassen muss.

Warum ist Fairness gegenüber dem Hund beim Setzen dieser Grenzen so wichtig?

Das Gegenteil von Fairness ist oft Unklarheit und Verunsicherung. Alles, was den Hund verunsichert hat Nebenwirkungen. Haltende – und auch viele Trainer – die harte Methoden anwenden, wissen oft gar nicht um diese Nebenwirkungen. Sie machen das und denken, dass der Hund in anderen Situationen nervöser ist, hat nichts damit zu tun, dass sie das Bellen bestraft haben. Oder sie korrigieren das Ziehen an der Leine mit Leinenruck und glauben, dass der Hund jetzt mit anderen Hunden Probleme hat, hänge nicht damit zusammen. Sanfte Methoden, die dem Hund gegenüber verständlich und fair sind, haben einfach weniger Nebenwirkungen.

Ganz abgesehen davon ist im Tierschutzgesetz verankert, dass alles, was dem Tier Leid zufügt, vermieden werden muss, wo es vermieden werden kann. Leid ist nicht nur Schmerz. Dazu zählt auch Angst und Verunsicherung. Wo die sanften Methoden funktionieren, und das tun sie praktisch überall, muss ich sanfte Methoden wählen.

Warum klappt es trotzdem oft nicht, Grenzen zu setzen?

Häufig klappt es mit den Grenzen nicht, wenn uns selbst gar nicht so klar ist, welches Verhalten wir eigentlich nicht wünschen. Oft denken wir: Der Hund soll nicht bellen. Dabei ist das Bellen nur das Ende einer ganzen Verhaltenskette. Der Hund hat schon vorher gezeigt, dass er die Situation doof findet, dass er vielleicht weggehen möchte. Vielleicht hat er sich hinter seinen Menschen gestellt oder andere Sachen probiert. Alles das hat der Mensch gar nicht gemerkt. Der Mensch reagiert erst, wenn es zu spät ist. 

Die zweite Sache ist, dass wir dem Hund oft kein Alternativverhalten anbieten. Er bekommt nur gesagt: ‚Tu das nicht!‘, weiß aber nicht, was er stattdessen machen soll.

Was würdest du dir wünschen, dass du es vor 20 Jahren schon gewusst hättest?

Unendlich viel. Vor allem aber zwei Dinge:

1. Man muss sich nicht immer ultra-eng ans Lehrbuch halten. Das Wichtigste ist, das Leben mit den Hunden gemeinsam zu genießen. Ich definiere selbst, was ich für mich und meine Hunde brauche und nicht ein Buch.

2. Alles, was ich heute über Stress und Stressregulation weiß. Was Stress überhaupt ist, dass Menschen und Hunde lernen müssen, Stress zu regulieren und dass es Hunde gibt, die das nicht erlernt haben oder bei denen es im Augenblick nicht funktioniert. Dass es chronischen Stress gibt oder Traumastressfolgen. Alle diese Zusammenhänge sind unglaublich interessant und sie zu verstehen macht es einfacher, mit bestimmten Hunden umzugehen und das Training so zu gestalten, dass es gelingt. 

Worauf richtet sich dein inhaltlicher Fokus derzeit besonders?

Derzeit arbeite ich ganz viel an Traumafolgestörungen beim Hund, vor allem mit Hunden mit ausgeprägter Verhaltenssymptomatik. Das ist etwas, was mich sehr interessiert. Zu verstehen, was damit alles zusammenhängt, fasziniert und bereichert mich unglaublich.


Maria Hense - Verhaltenstherapeutin, Tierärztin, Trainerin, Tutorin, Autorin

Schon während des Studiums der Tiermedizin widmete sich Maria Hense intensiv der Verhaltenslehre und vertiefte ihr stetig wachsendes Wissen durch Beobachtungen von Wölfen, Pudelwölfen und Hunden sowie in zahlreichen Fortbildungen über Ethologie, Haltung und Verhalten von Haustieren sowie Verhaltenstherapie. Heute setzt Maria Hense ihre Erfahrung und ihr Know-how in der eigenen verhaltenstherapeutischen Praxis in Warstein (D) sowie in ihrer Tätigkeit als Trainerin und Dozentin ein. Dabei setzt sie stets auf Problemlösungen, die Hund und Mensch nicht unter Druck setzen und ohne Zwangsmittel auskommen. Maria Hense ist unter andrem Mitglied der PDTE – Pet Dog Trainers of Europe, der ESCVE – European Society of Veterinary Clinical Ethologie sowie der GTVMT – Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie e.V.

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